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Rechtsgutachten: IT-Freelancer sind Selbstständige
Ein aktuell veröffentlichtes Gutachten des Arbeits- und Unternehmensrechtsexperten Prof. Dr. Markus Stoffels von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Auftrag des Digitalverbands Bitkom sorgt für neuen Zündstoff in der Diskussion um mehr Rechtssicherheit bei der Beauftragung von freien IT-Experten.
Schon lange fordern Interessensverbände wie der Bundesverband für Selbständige Wissensarbeit oder der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschlands (VGSD) eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens, in dem überprüft wird, ob ein freier IT-Experte in einem Kundenprojekt wirklich als selbstständige Person oder scheinselbstständig und damit sozialversicherungspflichtig, für den Auftraggeber tätig ist. Auch von Seiten einzelner Bundestagsfraktionen werden immer wieder Stimmen laut, beispielsweise von Seiten der FDP oder der Grünen.
Die bisherigen Kriterien sind alles andere als rechtssicher auszulegen und sorgen für Unsicherheit auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite. Die Folgen sind gravierend: Fast 60 Prozent der IT-Freelancer haben laut einer Umfrage von Randstad Professional (vormals GULP) und dem VGSD bereits erlebt, dass Aufträge bzw. Projekte mit Externen wegen Rechtsunsicherheit beendet wurden. Die meisten der Befragten sehen darin eine negative Auswirkung auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Deutschlands. Etwa die Hälfte erwägt, genau deshalb ins Ausland zu gehen.
Arbeits- und Sozialrecht sind sich uneins
Das von Prof. Dr. Markus Stoffels vorgelegte Rechtsgutachten arbeitet im Detail heraus, welche Diskrepanzen zwischen der Rechtsprechung im Arbeits- und Sozialrecht bei der Abgrenzung von Arbeitnehmern auf der einen und Solo-Selbstständigen auf der anderen Seite bestehen. Auch stellt der Autor fest, dass diese Rechtsunsicherheit einseitig zu Lasten der Wirtschaft gehe.
So moniert Prof. Dr. Stoffels unter anderem den Umgang mit dem Aspekt der Weisungsgebundenheit als Kriterium für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts:
„Die problematische Verflüchtigung der Weisungsabhängigkeit zeigt sich insbesondere im IT-Bereich. Vor dem Hintergrund, dass fachliche Weisungen angesichts der hohen Spezialisierung der IT-Experten nicht der gelebten Praxis entsprechen dürften, kann es
nicht überzeugen, unter Hinweis auf die technischen Möglichkeiten jederzeit und an jedem Ort tätig zu werden, auch das Weisungsrecht hinsichtlich Arbeitszeit und -ort gleichsam auszublenden.“ (Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Stoffels, S. 58)
Und auch das Kriterium der Eingliederung in ein Unternehmen als Indiz für eine abhängige Beschäftigung sieht Prof. Dr. Stoffels in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung als problematisch, auch vor dem Hintergrund neuer Formen der Arbeit:
„Ebenfalls kritikwürdig ist die starke Betonung des Eingliederungsaspekts durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung. Die Eingliederung ist lediglich ein Spiegelbild der Weisungsabhängigkeit auf der Vollzugsebene. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung läuft Gefahr, auf eher akzidentelle Äußerlichkeiten abzustellen, die für die Bewertung der beschäftigtentypischen Schutzbedürftigkeit ohne durchgreifende Aussagekraft sind. Umgekehrt sollten positive Indizien, die für die Selbständigkeit sprechen, stärker gewichtet werden. Als solche kommen vor allem die Honorarhöhe, das Knowhow des Erwerbstätigen und das Unternehmerrisiko in Betracht. ” (Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Stoffels, S. 81)
Empfehlungen: Harmonisierung, Positivkriterien, reformieren
Als Fazit legt der Gutachter dem Gesetzgeber drei Reformvorschläge nahe:
Harmonisierung des im Arbeits- und Sozialrecht unterschiedlich ausgelegten Arbeitnehmerbegriffs
Das Gutachten zeigt, „dass der in § 611a BGB vorausgesetzte Begriff des Arbeitnehmers und der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigtenbegriff (§ 7 SGB IV) – jedenfalls dem Wortlaut nach – nicht deckungsgleich sind.” So käme es zu weniger auseinandergehenden Entscheidungen der Arbeits- und Sozialgerichte.
Formulierung von Positivkriterien beim sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsbegriff – branchenspezifische Ausnahme zugunsten externer IT-Experten
Je nach Branche und Tätigkeit sollten unterschiedliche Regelungen getroffen werden, die auch Positivkriterien im Sinne einer Vermutung zugunsten selbstständiger Tätigkeit enthält. Stoffels nennt hier Kriterien wie Einkommenshöhe, der Nachweis einer angemessenen Altersvorsorge und die Erbringung von Diensten höherer Art beziehungsweise die Erfordernis eines besonderen Know-hows.
Reformation des Statusfeststellungsverfahrens
Der Autor nennt es „nahezu unstreitig [...], dass das Statusfeststellungsverfahren in seiner derzeitigen Ausgestaltung erhebliche Defizite aufweist.” Er spricht sich dafür aus, dass das Verfahren „durch die Festschreibung von Kriterien wie der Einkommenshöhe und der angemessenen Altersvorsorge normativ determiniert und damit vorhersehbarer gestaltet wird”, und dringend auch beschleunigt werden muss. Ebenfalls sollten widersprüchliche Entscheidungen innerhalb des Sozialversicherungsrechts und darüber hinaus ausgeschlossen werden. Abschließend fordert Prof. Dr. Stoffels, “dass die Statusfeststellung nicht nur der Klärung des Beschäftigtenstatus (in Abgrenzung zum Selbständigen) dient, sondern auch in Dreieckssituationen in Anspruch genommen werden kann. Hier ist vor allem an die Abgrenzung von Werk- bzw. Dienstverträgen von der Arbeitnehmerüberlassung zu denken.” (vgl. Rechtsgutachten von Prof. Dr. Markus Stoffels, S. 78/79)