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Werk- vs. Dienstvertrag: Pflichtverletzungen im Werkvertrag
Wird ein IT-Freiberufler im Rahmen eines Werkvertrages tätig, verlangt der Gesetzgeber, dass das versprochene Werk (z. B. ein eigens erstelltes Softwareprogramm) frei von Sach- und Rechtsmängeln abgeliefert wird. Ist dies nicht der Fall, kann der Besteller Mängelansprüche geltend machen. Rechtsanwältin Elisabeth Keller-Stoltenhoff erklärt den Mangelbegriff und die Rechte des Auftraggebers.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt unterschiedliche Mängelbegriffe, abhängig vom jeweiligen Vertragstyp. Der kauf- und werkvertragliche Mangelbegriff haben sich seit der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 angeglichen. Die wichtigste Änderung ist die Angleichung von Sach- und Rechtsmängeln und die Pflicht des Verkäufers und des Unternehmers, eine mangelfreie Sache zu liefern ( § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder zu erstellen ( § 633 Abs. 1 BGB).
Die Lieferung oder Erstellung einer mangelhaften Sache ist daher nach dem neuen Kauf- und Werkvertragsrecht eine Pflichtverletzung des Vertrages. Ein eigenes Gewährleistungsinstitut wie im alten Recht gibt es daher im Kauf- und Werkvertragsrecht nicht mehr. Der Begriff Gewährleistung für gesetzliche Haftung für Mängel hat sich aber so verselbstständigt, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis er in allen Köpfen durch den Begriff Mängelhaftung ersetzt wird.
Mangelbegriff
Der Mangelbegriff ist im Kaufrecht (i.S.d. §§ 433 ff. BGB) sowie im Werkvertragsrecht (§§ 633 ff. BGB) weitgehend gleich ausgestaltet worden. So ist gemäß § 434 Abs. 1 BGB und § 633 Abs. 2 BGB eine Sache (bzw. ein Werk) frei von Sachmängeln, wenn sie (es) "die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit" hat. Im Umkehrschluss liegt demnach ein Sachmangel vor, wenn die Ist-Beschaffenheit ungünstig von der Soll-Beschaffenheit abweicht.
Nun sind natürlich Fälle denkbar, bei denen die Vertragsparteien keine vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben. Auch dafür hat das Gesetz Vorsorge getroffen und in § 434 Abs.1 2 Nr. 2 BGB (sowie § 633 Abs. 2 S.3 BGB) geregelt, dass es dann eben auf "die Eignung zur üblichen Verwendung der Kaufsache" (bzw. das Werk) oder auf die "übliche bzw. vom Käufer (bzw. dem Besteller) zu erwartende Beschaffenheit" ankommt.
Anders als im Werkvertragsrecht sind im Kaufrecht aber noch weitere Aspekte berücksichtigt, welche zur Mangelhaftigkeit der Kaufsache führen. Auffällig ist zunächst die Haftung für Werbeaussagen (z.B. Drei-Liter Auto). Während bisher eine Haftung für die Zusicherung von Eigenschaften nur bei einer ausdrücklichen Haftungsübernahme vorlag, muss der Verkäufer nun für jede Art der Leistungsbeschreibung in Form von Werbung, Prospekten usw. einstehen.
Damit nicht genug. Der Verkäufer haftet ebenfalls für Leistungsbeschreibungen von Herstellern und Lieferanten. Auch eine fehlerhafte Montageanleitung stellt nun ausdrücklich einen Sachmangel dar (sog. "IKEA-Klausel"). Erfolgt die Montage durch den Verkäufer, so liegt ein Sachmangel vor, wenn die Montage durch den Verkäufer durchgeführt wurde und mangelhaft ist (z.B. die Küche ist schief eingebaut, die Küche ist mangelhaft). Schließlich werden alle Fälle der Falsch- oder Zuweniglieferung einem Sachmangel gleichgestellt. Auf das häufig streitige Kriterium der Genehmigungsfähigkeit der Lieferung kommt es nicht mehr an.
Zeitpunkt entscheidend
Des Weiteren spielt sowohl beim Kaufrecht als auch beim Werkvertragsrecht der so genannte "Gefahrübergang" eine ganz entscheidende Rolle. Der Gefahrübergang ist der Zeitpunkt, an dem die Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung auf den Käufer übergeht. Nur wenn der Mangel zu diesem Zeitpunkt vorlag, hat der Käufer Mängelrechte (Gewährleistungsansprüche). Mängel, die nach dem Zeitpunkt des "Gefahrübergangs" entstehen, lösen dagegen keine Mängelrechte mehr aus.
Darüber hinaus muss der Auftragnehmer bis zum Gefahrübergang beweisen, dass die Sache mangelfrei ist. Ab Gefahrübergang trägt der Auftraggeber die Beweislast. Die weit verbreitete Meinung, dass für die ersten sechs Monate nach Gefahrübergang eine Beweislastumkehr zu Lasten des Auftragnehmers gelte, gilt gemäß § 476 BGB nur für den hier nicht einschlägigen Sonderfall des Verbrauchsgüterkaufs.
Beim Kaufrecht stellt der Gefahrübergang normalerweise die Übergabe ( vgl. § 446 BGB) dar, also die Aushändigung der Kaufsache. Beim Versendungskauf ist der Gefahrübergang gemäß §§ 447 i. V. m.
§ 269 BGB der Geschäftssitz des Verkäufers, es sei denn, die Parteien haben vereinbart, dass der Erfüllungsort beim Käufer, also Auftraggeber ist. Im Werkvertragsrecht wird die Übergabe in der Regel durch die sog. Abnahme ersetzt, da bis zu diesem Zeitpunkt der Unternehmer die Gefahr trägt ( § 644 Abs. 1 BGB).
Haftungsansprüche
Der Käufer bzw. Besteller hat folgende gesetzliche Mängelansprüche im Werkvertragsrecht:
- Nacherfüllungsanspruch
- Selbstvornahme (nur im Werkvertragsrecht)
- Rücktritt
- Minderung
- Schadensersatz statt der Leistung
- Aufwendungsersatz
Nacherfüllung
Zunächst einmal kann der Werkbesteller als Primäranspruch Nacherfüllung verlangen, vgl. § 634 S.1 BGB. Nacherfüllung ist der Oberbegriff für Neulieferung oder Reparatur. Die Ausübung des Wahlrechtes erfolgt im Kaufvertragsrecht durch den Käufer, im Werkvertragsrecht dagegen durch den Unternehmer. Dies liegt daran, dass der Werkunternehmer, im Gegensatz zu dem Verkäufer, sehr viel enger mit dem Produktionsprozess seines Werkes befasst ist und ihm daher die Entscheidung auch obliegen soll, welche Art der Nacherfüllung sinnvoller bzw. kostengünstiger ist.
Die Kosten der Nacherfüllung, Transport, Wege, Arbeits- und Materialkosten trägt der Unternehmer
( § 635 Abs. 2 BGB).
Selbstvornahme
Nur im Werkvertragsrecht hat der Werkbesteller einen Anspruch auf die sog. Selbstvornahme, vgl. § 634 Nr. 2 BGB. Diese umfasst das Recht, den Mangel selbst zu beseitigen und anschließend den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen zu verlangen. Voraussetzung ist aber der erfolglose Ablauf einer angemessenen Frist, vgl. § 637 Abs. 1 BGB zur Nacherfüllung.
Rücktritt
Ist die Nacherfüllung gescheitert, kann der Besteller vom Werkvertrag zurücktreten gem. § 634 Nr. 2 BGB. Als gescheitert gilt die Nacherfüllung gem. § 440 Satz 2 BGB (Kaufrecht) ab dem zweiten erfolglosen Nacherfüllungsversuch. Die herrschende Lehre nimmt diese Fiktion auch für das Werkvertragsrecht an, obwohl eine analoge Vorschrift zu § 440 Satz 2 BGB fehlt. Voraussetzung ist jedoch auch hier, dass zuvor dem Werkunternehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt wurde, vgl. § 323 Abs. 1 BGB.
In bestimmten Fällen wird eine Frist entbehrlich. Diese sind in § 323 Abs. 2 BGB sowie in § 326 Abs. 5 BGBaufgeführt. Bei einem nur unerheblichen Mangel kommt ein Rücktritt allerdings nicht in Betracht (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB).
Minderung
Unter denselben Voraussetzungen wie beim Rücktritt (erfolglose Fristsetzung), kann der Werkbesteller die Werkvergütung statt des Rücktritts auch mindern (§ 634 Nr. 3 BGB).
Er kann also direkt auf Rückzahlung eines Teils der Vergütung klagen (Minderung) oder auf Rückzahlung der gesamten Vergütung, Zug um Zug gegen Rückgabe der Sache (Rücktritt). Ist die Vergütung noch nicht bezahlt, kann er den geminderten Betrag abziehen oder die Zahlung verweigern und die Kaufsache zurückgeben. Vor Gericht wären dann gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Minderung und den Rücktritt zu prüfen.
Schadensersatz
Der Werkbesteller kann auch einen Schadensersatzanspruch geltend machen, § 634 Nr. 3 BGB. Es sei denn, der Schuldner kann beweisen, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat. Will der Besteller Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 BGB geltend machen, muss wiederum eine vorherige, erfolglose Nachfristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung erfolgt sein. Nicht übersehen werden darf zudem, dass bei einem möglichen Schadensersatzanspruch bei einem nur unerheblichen Mangel Einschränkungen bestehen (§ 281 Abs. 1 S.3 BGB).
Alternativ zum Schadensersatz und unter denselben Voraussetzungen kann auch Aufwendungsersatz gem. § 284 BGB verlangt werden.
Verjährung
Alle oben aufgeführten Mängelansprüche verjähren bei Sachen innerhalb von zwei Jahren ( § 634a Abs. 1 Nr. 3). Die Verjährung beginnt mit der Abnahme des Werkes (§ 634a Abs. 2 BGB) oder der Lieferung (Gefahrübergang) der Kaufsache. Der Werkbesteller hat die Möglichkeit, die Verjährung durch Klageerhebung oder durch Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens zu unterbrechen. Des Weiteren ist die Verjährung gemäß § 203 BGB gehemmt, wenn die Parteien über das Vorhandensein eines Mangels verhandeln. Erkennt der Auftragnehmer den Mangel an, liefert eine neue Sache oder repariert die Sache im Rahmen der Nacherfüllung, so beginnt die Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 BGB neu. Viele Auftragnehmer werden daher die Nacherfüllung lediglich aus "Kulanzgründen" durchführen, um eine Anerkennung des Anspruchs und damit den Neubeginn der Verjährung zu vermeiden.
Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie bei Elisabeth Keller-Stoltenhoff. Sie ist Mitbegründerin der
IT-Rechts-Kanzlei München und erfahrene Praktikerin bei der Gestaltung von IT-Verträgen sowie der Beratung bei IT-Projekten.
Die Autorin behält sich alle Rechte am Artikel vor. © 2007 Elisabeth Keller-Stoltenhoff