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Urteil: Scrum-Projekte sind kein Indiz für Scheinselbstständigkeit
Scrum-Projekte sind seit Jahren ein großer Unsicherheitsfaktor für Freelancer:innen und Auftraggeber in Sachen Scheinselbstständigkeit. So wird oft diskutiert, ob die nach dem Scrum Framework erforderlichen Meetings wie Daily Planning oder Retro einen Freelancer im Projekt nicht bereits zu sehr in die Unternehmensstruktur einbinden. Oft wurde das als Indiz gehandelt, dass ein Freelancer im Projekt weisungsgebunden in die Betriebsorganisation integriert ist.
Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg hat die reine Tätigkeit im Scrum-Projekt nicht per se als Indiz gesehen und könnte somit einen entscheidende Rolle dabei spielen, wie die Deutsche Rentenversicherung Bund in Zukunft Scrum-Projekte bei einem Statusfeststellungsverfahren beurteilt.
Darum ging's im LSG-Urteil
Der Softwareentwickler (Kläger) erbrachte Leistungen als Programmierer und IT-Berater in einem agilen Projekt bei einem IT-Unternehmen. Er soll u.a. in einem agilen Scrum-Prozess selbstständig eine Software programmieren. Dazu gehört auch die Teilnahme an „Sprint-Plannings“ und „Daily-Scrums“. Der Kläger beantragt im Statusfeststellungsverfahren die Selbstständigkeit dieser Tätigkeit zu bestätigen. Die deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) entschied jedoch, dass die Tätigkeit des Softwareentwicklers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werde, da der Softwareentwickler in das bereits bestehende Netzwerk des Endkunden eingebunden und keine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten erkennbar gewesen seien. Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Dem Kläger gelang es, das Gericht vom Gegenteil zu überzeugen.
Das Landessozialgericht (LSG) hebt das Urteil und die angefochtenen Bescheide auf und stellt fest, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Softwareentwickler selbstständig tätig war und nicht der Versicherungspflicht unterlag. Das Gericht sah nach Abwägung aller Umstände keine Weisungsgebundenheit des Klägers und es liege keine Eingliederung in die Betriebsorganisation des Auftraggebers vor, da die Arbeiten aus sicherheitstechnischen Gründen in den Räumlichkeiten des Auftraggebers erfolgen mussten.
Nach den konkreten Umständen überwiegen im Falle des Klägers die für Selbstständigkeit sprechenden Umstände: er konnte die Arbeitspakete selbst aussuchen; die Ergebnisse wurden in einen separaten Entwicklungszweig eingestellt; die Programmierung erfolgte anhand von 2-Wochen-Sprints nach der Scrum-Methode – eine agile Methodik im Bereich Projektmanagement. Der Kläger verfügt über Spezialkenntnisse; der Auftraggeber erteilte keine weiteren Vorgaben bis zur Abnahme der Programmkomponenten. Dass die Implementierung in das System des Endkunden von der Abnahme durch den zuständigen Fachbereich abhängt, ist der Komplexität und den hohen Sicherheitsanforderungen geschuldet und indiziert daher nicht per se eine Eingliederung des Programmierers in den Betrieb des Kunden.
Warum ist dieses Urteil so wichtig?
Das Urteil bedeutet sowohl für Auftraggeber als auch für Auftragnehmer mehr Rechtssicherheit in der Praxis im Rahmen agiler Projekte. Agile Projekte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Anforderungen an das Ergebnis während der Projektdurchführung näher bestimmt werden und nicht von Anfang an festgelegt werden können. Dieses Urteil ist vor allem vorteilhaft, weil die Merkmale der agilen Arbeitsweise in vergleichbaren Konstellationen ein Argument für die Selbstständigkeit sein können!
Den Volltext des Urteils können Sie hier nachlesen: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/170812