„User aus der Hölle“ – so bändigt man sie

Konfliktmanagement im IT-Support

Wir haben Mitarbeitende im IT-Support unter unseren Lesern gefragt, welche Erfahrungen sie mit Anrufer:innen machen. Kommunikationstrainer Peter Rach erklärt, wie man professionell mit schwierigen Situationen in diesem Job umgehen kann.

Eine Userin ruft beim IT-Support an – sie könne ihre E-Mails nicht öffnen. Der nächste spricht davon, dass ein „Papierkabel“ nass geworden sei. Ein weiterer Mitarbeiter weigert sich standhaft, die Anleitung zu lesen, die man ihm geschickt hat und wütet darüber, dass der Support unfähig sei zu helfen. Unter der Überschrift „User aus der Hölle? Teilen Sie Ihre IT-Support-Stories“ haben wir die Support-Mitarbeiter:innen unter unseren Lesern gefragt, welche Erfahrungen sie bei der Arbeit machen. Dies sind nur einige Beispiele von eher skurrilen Vorfällen. Doch wie geht man mit solchen Konflikten um? Am besten mit ganz viel Verständnis, Hilfsbereitschaft und Ruhe, rät der Kommunikationscoach Peter Rach, der IT-Support-Teams zu dem Thema schult: „Wenn jemand eine E-Mail nicht öffnen kann, verdient er denselben Respekt wie jemand mit einem komplexen Problem.“ Wer sich den Arm gebrochen hat, wünsche sich schließlich auch vom Arzt im Krankenhaus, dass der die Verletzung behandelt statt zu sagen: „Sie waren wohl zu blöd zum Radfahren – da ziehe ich lieber andere Patienten vor!“

An das Gute im Menschen glauben

Für viele Menschen mag das Öffnen einer Mail ein ganz banaler Vorgang sein, den sie tagtäglich ausführen, ohne darüber nachzudenken. Doch der Begriff Support sagt es schon: Hier ist Unterstützung gefragt – da, wo der Hilfesuchende sie braucht. „Man sollte die Anrufer als Kunden sehen und sich in ihre Lage versetzen“, empfiehlt Peter Rach. „Wenn ich verstehe, welchen Druck der andere hat, bin ich eher bereit, ihm zu helfen.“ Man sei gut beraten, von einem User auszugehen, der sein Bestes gibt, aber allein nicht weiterkommt. Genau deshalb sucht er ja Hilfe. „Man sollte an das die positive Absicht des Users glauben“, sagt Peter Rach, „und immer auf Augenhöhe kommunizieren. Das bedeutet, dass man auf einer emotionalen Ebene versteht, dass der Hilfesuchende gestresst und vielleicht auch verzweifelt ist. Wenn sein Drucker streikt, ist es für ihn in dem Moment vielleicht sehr wichtig, weil er ohne zu drucken nicht weiterarbeiten kann.“

Schalter auf „freundlich und unterstützend“ umlegen

Auch wer vom vermeintlich unwichtigen Problem eines Anrufers genervt ist, kann im eigenen Gehirn den Schalter auf „freundlich und unterstützend“ umlegen: „In der Persönlichkeitsentwicklung nennen wir das Gedankenhygiene“, erklärt der Trainer. „Wenn ich bei mir für positive Gedanken sorge, habe ich auch ein schöneres Leben als wenn ich alles schwarzmale. Ich kann eine Entscheidung treffen, was ich denke.“ Er gibt zu, dass das leichter klingt als es ist, doch man könne es trainieren. Und sich bewusst sein: „Wenn man das Gegenüber nicht versteht, steckt häufig wirklich ein Missverständnis dahinter. Dann ist es Aufgabe des Profis, so lange nachzufragen bis er weiß, um was es tatsächlich geht.“

Ein Leser berichtet auf unsere Anfrage zu „Usern aus der Hölle“, dass er häufig versucht „einen flotten, spontanen Spruch zu liefern“ und die Erfahrung macht, dass das gut ankommt. „Humor ist eine ganz tolle Sache“, bestätigt Peter Rach. „Er sorgt für ein sehr angenehmes Gesprächsklima und die Leute fühlen sich damit wohl – wenn alle den gleichen Humor teilen. Sonst kann er auch sehr respektlos wirken.“ Um das zu vermeiden, hilft die Technik des Spiegelns: „Wenn man den Kommunikationsstil des Anrufers nachahmt, schafft das sofort eine gemeinsame Ebene. Wenn er humorvoll ist, kann ich ebenso reagieren. Wenn er im Stress ist, dann tue ich gut daran, eher ernst zu sein und zu signalisieren: Ich habe deinen Stress verstanden!“

Auf dem Kanal helfen, der für den Nutzer am besten ist

Ein weiterer Leser berichtet von einem sehr „störrischen Livesystem-Admin“, der offenbar Software nicht korrekt installierte und damit ständig Fehlermeldungen provozierte. Die Hinweise des Supports ignorierte er oder setzte „mündliche Kommentare wörtlich und blind um – und damit natürlich falsch. Aber nach außen waren immer die Entwickler schuld, die ja offenbar fehlerhafte Software auslieferten...“. Die Entwickler selbst durften sich aus Sicherheitsgründen nicht live auf das System aufschalten. Stattdessen mussten sie über Monate hinweg immer umfangreichere Installationsanleitungen erstellen. Peter Rach wirbt auch hier für kompromissloses Verständnis: „Am Ende macht die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen, den wirklich guten Support aus.“ Im beschriebenen Fall habe das Gegenüber vielleicht sehr großen Stress gehabt und sei eben nicht bereit, irgendeine kryptische Anleitung durchzulesen. „Für viele Menschen ist es auch sehr anstrengend, sich Dinge durch Lesen zu erarbeiten“, sagt Rach. „Ihnen kann es helfen, wenn jemand den Prozess mit ihnen Schritt für Schritt am Telefon durchgeht. Und wenn ich ehrgeizig bin und einen tollen Support bieten will, dann helfe ich eben auf dem Kanal, der für meinen Nutzer am besten ist.“

ZAKLA-Formel hilft dabei, ruhig zu bleiben

Wenn man all das umsetzt und am Ende trotzdem mit unhöflichen, respektlosen Anrufern konfrontiert wird, hilft laut Peter Rach trotzdem nur Freundlichkeit: „Die Menschen sind in der Regel nicht vorsätzlich genervt oder angreifend. Wir alle wissen, dass wir mit einem freundlichen Ton mehr erreichen. Aber es gibt Situationen, da hat man so viel Adrenalin in der Blutbahn, dass man aufgeregt und ungeduldig ist. Der Körper ist in dem Moment auf Angriff gepolt und so klingt dann auch die Kommunikation.“ Als Gegenüber sollte man also Wohlwollen entgegenbringen und das Verständnis, dass diese Person gerade nicht die Disziplin hat, ruhig zu kommunizieren, weil sie im Stress ist. „Dann kann ich respektvoll mit ihr sprechen – und dann wird das diesen Menschen auch irgendwann beruhigen.“ Bei aggressiven Anrufern empfiehlt Rach Sätze wie „Ich verstehe, dass Sie sich aufregen.“ oder „Ich merke, wahrscheinlich haben Sie Stress.“ Das helfe dem anderen wahrzunehmen, dass er ernst genommen wird und nicht mit 100 km/h durch die Wand muss – weil da jemand ist, der die Tür aufmacht. Um selbst die Ruhe zu bewahren kann die ZAKLA-Formel helfen: Sie steht für Z wie Zuhören, A für Anteil nehmen, K für Klären, L für Lösung und A für Aktion vereinbaren. Mit herausfordernden Anrufern kann man diese Liste Schritt für Schritt abarbeiten – sie bietet ein sicheres Gerüst.

Bei sich selbst nach Fehlern suchen

Und letztlich rät Rach noch dazu, schlechte Erfahrungen mit Anrufern nicht abzutun mit dem Gedanken, der andere sei eben blöd gewesen. „Es ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt, immer zuerst bei mir selbst zu suchen, was ich zu einer Lösung beitragen kann. Die erfolgreichen IT-Supporter, mit denen ich arbeite, sind sehr stark bereit, nach jedem Telefonat zu sagen: ‚Was hätte ich besser machen können?‘ Wenn ich mich stattdessen darauf ausruhe, dass der Anrufer das Problem war, entwickle ich mich nicht weiter.“

Genau das macht aber in der Regel den Spaß an der Arbeit aus. Der Kunde oder die Kundin erwarte immer ein gewisses Niveau: „Aber erst wenn ich das übertreffe, bin ich wirklich ein richtig guter Dienstleister und bekomme entsprechend gutes Feedback“, erklärt Rach. „Dann bin ich so gut, dass ich im Gedächtnis bleibe und weiterempfohlen werde.“ Die feinen Unterschiede kenne jeder aus dem eigenen Leben: „Wir haben alle schon mal bei einem Support angerufen und schlechte Erfahrungen gesammelt. Jeder weiß, wie es schlecht geht.“ Und es gibt gute Beispiele: die Pizzeria, in der der Kellner weiß, welchen Nachtisch man am liebsten isst, oder die Verkäuferin im Technikmarkt, die wirklich alle Details kennt und ehrlich berät. Dort stimmt die menschliche Qualität. „Wenn man überlegt, was einem daran gut gefällt, kann man das für den Job im Support ebenfalls umsetzen.

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Peter Rach, Kommunikationstrainer

Peter Rach ist Kommunikationstrainer und Coach für Teamwork, Führung und Kundenbindung. Nach seinem Studium der Wirtschaftspsychologie und Marketing arbeitete er mehrere Jahre für Konzerne im Vertrieb und Marketing sowie in Projekten. Dann spezialisierte er sich auf Teamentwicklung, ließ sich zum Coach ausbilden und als NLP- und Management-Trainer zertifizieren. 2008 machte er sich selbstständig und begleitet Teams und Führungskräfte bei ihrer Entwicklung.

Juliane Gringer, Diplom-Journalistin und freie Autorin

Juliane Gringer ist Diplom-Journalistin und arbeitet als freie Autorin, Redakteurin und Projektmanagerin. Sie schreibt Artikel für Magazine und Websites zu vielfältigen Themen aus den Bereichen IT, Wirtschaft und Gesundheit. Zudem ist sie Autorin mehrerer Sachbücher, unter anderem „Kleine Panik“ (Goldmann Verlag) über Alltags-Angst-Szenarien und was wirklich dahintersteckt.